Chirurgie vor 100 Jahren : historische Studie / von Georg Fischer.

  • Fischer, Georg, 1836-1921.
Date:
1876
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Credit: Chirurgie vor 100 Jahren : historische Studie / von Georg Fischer. Source: Wellcome Collection.

Provider: This material has been provided by the Harvey Cushing/John Hay Whitney Medical Library at Yale University, through the Medical Heritage Library. The original may be consulted at the Harvey Cushing/John Hay Whitney Medical Library at Yale University.

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    des Hippokrates wurden in blinder Bewunderung bis in die kleinsten Details coinmentirt, aus den unbedeutendsten Stellen irgend ein tiefer verborgener Sinn herausgeklaubert; die Wahrbeiten der Natur wurden verdreht um sie mit seiner und Galen's Meinung übereinstimmend zu machen. Dadurch entwickelte sich eine grosse antiquarische Gelehr- samkeit, aber der Fortschritt der Wissenschaft wurde gehemmt. Man verstand es nicht den hippokratischen Geist der einfachen Natur- beobachtung in die Medicin einzuführen; deshalb fehlte der reelle Gewinn. Eine andere Periode, verhältnissmässig reich an geschicht- lichen Arbeiten, liegt zwischen 1830—40. Die im vorigen Jahrhundert üppig wuchernde Systemwuth hatte in ihren Folgen damals die deutsche Medicin so durchwühlt und die Köpfe verwirrt, dass man theilnahmlos an den grossen Fortschritten des Auslandes vorüber- ging und nur bei wenigen aufgeklärten Köpfen eine Sehnsucht nach durchgreifenden Reformen hervortrat. Der 73jährige Stieglitz schrieb 1840: „Die deutsche Medicin ist so gesunken und erschlafft, dass ihr jede Aufrüttelung heilsam sein muss, Alles was sie in neue Bahnen versetzt, selbst wenn diese reich an Irrthüniern und Verkehrt- heiten sein sollten. In dieser Zeit der Krise und Gährung suchten Einige das Heil iu der Geschichte der Medicin; man verlangte als durchaus nothwendig, dass die jungen Leute darin examinirt und besondere Lehrstühle errichtet würden. Von ihrem Studium sollte die wissenschaftliche Regeneration ausgehen, auf ihr ein neuer tausend- jähriger Tempel der Wissenschaft erbaut werden! Man litt Schiff- bruch. Die blosse Erinnerung an die Namen Johannes Müller, Roki- tansky, Virchow, an die in den 40 er Jahren neu erschienenen Zeit- schriften für physiologische Heilkuude, für rationelle Medicin, für pathologische Anatomie zeigt, dass nicht die Geschichte, sondern die beginnenden Detailuntersuchungen auf allen Gebieten der Medicin den Umschwung zu Stande brachten. Die Geschichte machte Fiasco, weil man ihr die unverdiente Wichtigkeit eines Hauptfaches beilegte! In unserer Zeit ist das Interesse für Geschichte cfer Chirurgie ganz ausserordentlich gering. Dahin gehörige Arbeiten sind so selten, dass z. B. im Archiv für klinische Chirurgie, welches seine Spalten denselben geöffnet hatte, binnen 15 Jahren nur 2 veröffentlicht sind. Vorlesungen über Geschichte der Chirurgie werden ganz vereinzelt an deutschen Universitäten (Bern, Breslau, Göttingen, Graz) an- gekündigt; ob sie immer zu Stande kommen, ist obendrein fraglich. Man könnte an ihrer Berechtigung ganz zweifeln, wenn nicht einzelne hervorragende praktische Chirurgen unserer Zeit zu Hülfe kämen. Baum, welcher Alles weiss, ist ihr warmer Fürsprecher. Vermuth-