Die Geschichte der Medizin als akademischer Lehrgegenstand : Rede, gehalten am 27. October 1879 beim Antritte seiner Vorlesungen an der Wiener Universität / von Th. Puschmann.

  • Puschmann, Th. (Theodor), 1844-1899.
Date:
1879
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Credit: Die Geschichte der Medizin als akademischer Lehrgegenstand : Rede, gehalten am 27. October 1879 beim Antritte seiner Vorlesungen an der Wiener Universität / von Th. Puschmann. Source: Wellcome Collection.

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    theoretischen als auf dem praktischen Boden bewegen, ist der Vorwurf auch durchaus nicht gerechtfertigt. Oder glauben Sie nicht, dass der Chirurg aus der lyexxntniss der verschiedenen Operations-Methoden die Anlegung 55x1 neuen nützlichen Modificationen derselben schöpfen oder darin bei aussergewöhnliehen Fallen Rath und Hilfe suchen und finden wird? Welche interessanten Aufschlüsse bietet dem Praktiker doch die naturgetreue Beschreibung der Krankheits- erscheinungen, die wir in den Schriften der Alten bewundern t Oder sollten die Erfahrungen, welche die früheren Aerzte über die Wirkungen einzelner Arzneistoffe gemacht haben, gleich- gültig sein für die pharmakologischen Untersuchungen unserer Tage? Welche Bedeutung die Geschichte unserer Wissenschaft für die vergleichende Medizin der Gegenwart besitzt, können die Aei'zte, welche in einer Weltstadt wie Wien praktiziren, am besten beurtheilen. Wie oft erhalten sie Patienten, welche aus Ländern kommen, in denen die Heilkunde, gleich der übrigen Cultur, einen Standpunkt einnimmt, der bei uns einer längstvergangenen Zeit angehört ? Der Arzt wird zur Beur- theilung derartiger Fälle der historischen Kenntnisse nicht entbehren können. Endlich ist es wohl zweifellos, dass die grössere Allgemeinbildung, welche der Arzt den historischen Studien verdankt, auch einen wohlthätigen Einfluss auf seine praktische Thätigkeit austiben wird. Was wir in uusern Geist aufnehmen, bildet fortan einen Theil unseres Wesens und wirkt als solcher auf unser gesummtes Denken und Handeln ein. Die Erziehung des Mediziners hat einen streng realistischen Charakter; am Secirtiscli, mit dem Mikroskop, im Laboratorium, am Krankenbett, überall studirt er das rein Körperliche, über- all sucht er Das, was er mit den Sinnen begreifen und ver- stehen kann. Zur Betrachtung und Untersuchung ideeller Fragen gelangt er nur selten. Es ist daher sicher ein grosser Vor- theil, dass seine Vorbildung auf einer humanistischen Grund- lage ruht, die ihn vielleicht einigennassen vor den Nachtheilen schützt welche die Einseitigkeit mit sich führt. Aber damit ist es nicht genug; es muss dafür gesorgt werden, dass der Mediziner auch an der Universität Fühlung behält mit der humanistischen Richtung. Darin liegt ja eine der grossen Auf- gaben der Universität, dass sie die Gegensätze zwischen den realistischen und den humanistischen Wissenschaften vermittelt und diese selbst einander nähert. Die Naturwissenschaften, zu denen auch die Heilkunde gehört, dürfen auf diesen Vortheil nicht verzichten, sonst sinken sie zum Handwerk herab. Die Disciplin, welche sich am besten eignet, die Verbin- dung der Medizin mit den übrigen Wissenschaften aufrecht zu halten und ihr den universalen Charakter zu wahren, ist die eschichte der Heilkunde, hie ist zu dieser Rolle am meisten prüfen, weil sie die Brücke bildet, welche von den realistischen