Handbuch der speciellen Pathologie und Therapie / bearbeitet von Professor Griesinger.

  • Griesinger, Wilhelm, 1817-1868.
Date:
1864
Catalogue details

Licence: Public Domain Mark

Credit: Handbuch der speciellen Pathologie und Therapie / bearbeitet von Professor Griesinger. Source: Wellcome Collection.

Provider: This material has been provided by King’s College London. The original may be consulted at King’s College London.

    453/474 (page 441)
    auch ohne dieselbe vor, (z. B. Havre und Brüssel 1853) und an manchen Orten war die Seuche sehr mörderisch trotz der Hausljesuche (Newcastle 1853) *). Man stellt sich zuweilen vor, ein grosser Theil der bei den Hausbesuchen in Behandlung genommenen zahlreichen Diarrhöen **) wäre ohne diese Behandlung in Cholera ühergegangen; allein man weiss durch- aus nicht, in welchen Verhältnissen dies der Fall gewesen wäre, man weiss nur, dass auch 1832, wo von dieser Massregel noch nicht die Rede war, die Epidemieen schon von zahllosen Fällen von Diarrhöe begleitet waren, die nicht in Cholera übergingen und man wird deshalb die un- geheuere Mehrzahl dieser Diarrhöen nicht als abgeschnittene Prodromen sondern als an sich'leichte Diminutivformen des Choleraprocesses zu be- trachten haben. Diese Bemerkungen sollen natürlich nicht gegen die Massregel selbst, sondern nur gegen überspannte Hoffnungen, die man namentlich in England von ihr hegte, gerichtet sein; über die Art ihrer Ausführung kann ein sehr detaillirter Reglementsentwurf bei Tardieu (III. p. 601 ff.) eingesehen werden. §. 522. Die Armen und alle Kranke, welche zu Hause keine ge- hörige Pflege haben, sind (aber nicht zwangsweise) in die Hospitäler auf- zunehmen. Die Einrichtung eigener temporärer Cholerahospitäler — eines auf eine Population von 10 — 20,000 Menschen und mögHcbst ver- theilt in verschiedenen Quartieren grosser Städte — ist der Aufnahme in die gewöhnlichen Krankenanstalten in vielen Beziehungen vorzuziehen; es wird dadurch anderen “Kranken der nachtheilige Einfluss des Anblicks der Cholerakranken und der vielen Sterbenden erspart und namentlich die so mörderische Weiterverbreitung in den Hospitälern vermieden. Die Befürchtung, dass die Cholerahospitäler Infectionsheerde werden, bestätigt sich erfahrungsgemäss nicht und ist durch genaue Desinfections- massregeln zu beseitigen; mit der Verbringung der Kranken in das Ho- spital wird dagegen die Zahl der Infectionsheerde in der Stadt sehr re- ducirt und diese zu ihrem eigenen Vortheil der Atmosphäre ihrer Er- krankung entzogen. — In den Cholerahospitälern sollten 3 Abtheilungen bestehen, eine für bloss Verdächtige und Leichtkranke, eine für die eigentlich Cholerakran- ken, eine für die Reconvalescenten. Der Transport ins Hospital geschieht besser mittelst Tragkörbe oder Sessel als mittelst Fuhrwerks. In den Sälen muss für eine mässige Erwärmung (14 — 15“ R.), eine recht freie Lüftung, grosse Reinlichkeit der Fussböden, Betten etc., schnelle Weg- schaffung und Desinfection der Ausleerungen, der Bettschüsseln und Nachtstühle gesorgt werden, namentlich aber muss eine gehörig grosse Anzahl brauchbarer Wärter zur Disposition der Aerzte sein. Die Aus- leerungen dürfen in keinen gemeinschaftlichen Abtritt ausgeleert werden, sondern werden am besten in eigene Gruben mit Chlorkalk gebracht; über Betten, Wäsche etc. gilt das oben Gesagte. — Wo man keine eigenen Cholerahospitäler hat, ist in einem allgemeinen Kranken- •) Tardieu, Dict. d’Hyg. III. p. 59ß. •*) In München wurden 1837 auf diesem Wege nach amtlichen Rerichton über 12,000 Fälle von Diarrhöe behandelt, in London 1849 innerhalb 3 Wochen 43,737 Diarrhöefälle, worunter 1000 schon von reiswasscrarliger Hescludfcnheit; nur 58 davon gingen in Cholera über, ln 15 grossen englischen Städten wur- den damals zusammen 130,000 Personen präventiv behandelt und niir 250 be- kamen die Cholera (ibid. 598).