Volume 1

Lehrbuch der Nervenkrankheiten : für Ärzte und Studierende / von H. Oppenheim.

Date:
1905
Catalogue details

Licence: Attribution-NonCommercial 4.0 International (CC BY-NC 4.0)

Credit: Lehrbuch der Nervenkrankheiten : für Ärzte und Studierende / von H. Oppenheim. Source: Wellcome Collection.

Provider: This material has been provided by the Royal College of Physicians of Edinburgh. The original may be consulted at the Royal College of Physicians of Edinburgh.

    634/650 (page 610)
    rheumatischen und leichten traumatischen Fällen. Besonders ist ferner der Allgemeinzustand massgebend und die Situation des Kranken. Kann er sofort das tun, was zur Herbeiführung der Heilung erforder- lich ist, kann er sich vor allem schonen, so ist baldige Genesung in Aussicht zu nehmen. Ungünstig ist die Prognose in veralteten Fällen, im Senium und wenn ein nicht zu beseitigendes Grundleiden vorliegt. Therapie. Ruhe und Schonung ist dringend geboten; für be- queme, den Nerven schützende Lagerung ist sogleich zu sorgen, harte Sitze sind zu vermeiden. In frischen Fällen empfiehlt sich ein diaphoretisches Verfahren: ein Schwitzbad mitnachfolgenderEinpackung. Auch eineBlutentziehung über dem Hauptdruckpunkt kann von glänzender Wirkung sein (Blutegel, blutige Schröpfköpfe). Kälte wird meistens nicht vertragen, während heisse Umschläge häufig lindernd wirken. Heisswasseraufschläge, z. B. nach Siegrist ^), heisse Sandsäcke, Moorumschläge, lokale und allgemeine Fangobäder, elektrische Lichtbäder, Heissluftbehandlung nach Tallermann, Greville, Lindemann, Neumann etc. — alle diese Massnahmen sind zwar in ihrem Erfolge unsicher, haben aber häufig eine eklatante und selbst heilbringende Wirkung. Andererseits ist auch die lokale Zerstäubung von Chlormethyl oder Chloraethyl sowie die äussere Applikation des Schwefelkohlenstoffs und der kon- densierten Kohlensäure über den schmerzenden Stellen empfohlen worden. Sehr zu loben sind ferner die Ableitungsmittel, ganz be- sonders die fliegenden Vesikantien, die auch in veralteten Fällen noch Gutes leisten: grosse spanische Fliegenpflaster über den Druckpunkten, nacheinander oder gleichzeitig aufgelegt. Ehret führt z. B. an, dass er diese Vesikantien in einer Ausdehnung von ^0—30 cm und einer Breite von 4 cm entlang dem Nerven appliziert und dadurch schöne Erfolge erzielt habe. Auch die konzentrierte Salzsäure, sowie die Aetzung mit dem Lapisstift ist zur Erzeugung des Hautreizes empfohlen worden. Energischer wirkt das Strichfeuer: mit dem Glüheisen erzeugte oberflächliche Brandschorfe über dem N. ischiadicus, besonders entsprechend den Druckpunkten. Es ist nicht ratsam, die Eiterung längere Zeit zu unterhalten. Eine Kauterisation an entfernten Stellen, selbst am Ohrläppchen, gehört zu den Mitteln der alten Schule. Ein altes, aber nicht zu verwerfendes Mittel ist ferner das Empl. oxy- croceum, das ein Ekzem auf der Haut hervorruft; auch Williams poröses Pflaster leistet zuweilen gute Dienste. Hat das diaphoretische Verfahren versagt, so kann man sofort — oder auch nach vorher versuchter Ableitung durch Hautreize — zur Elektrotherapie, die hier nach fast übereinstimmendem Urteil q Ein Handtuch vpird der Länge nach zusammengefaltet, sodass es eine 10 cm breite Kompresse bildet, in heisses Wasser von 40—50“ R. getaucht, aus- .gewrungen und längs des erkrankten Nerven aufgelegt, darüber kommt ein breiter Flanellstreifsn, der das Handtuch überdeckt, über diesen mehrfache Lagen Papier. Nach 10—15 Minuten wird der Umschlag erneuert und die Prozedur in dieser Weise 1—2 Stunden fortgesetzt, eventuell mehrmals am Tage.